Donnerstag, 16. August 2012

Nicht-wahr-haben-wollen

Beim Sadhana in der Meditation musste ich an meine kranke Oma denken und mir liefen die Tränen über die Wangen. Sie macht gerade verschiedene Phasen in Richtung Abschied vom Leben durch. Eine davon ist auch das Nicht-wahr-haben-wollen, sich der Realität nicht stellen können und sich damit etwas vormachen. Als Außenstehende wundere ich mich im ersten Moment, wie kann sie in solch einer eindeutigen Situation glauben, dass das doch alles irgendwie noch geht. Doch dann ist mir bewusst geworden, dass ich diese Gedanken auch habe. Dass ich mir auch wünsche, dass sie morgen früh aufwacht und so fit ist wie sie es immer war. Dass sich mich wie als kleines Kind nach einem schlimmen Traum tröstet, mich zudeckt und sagt: "Nun denk' mal an was Schönes und dann schläfst Du schön ein. Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus." Das geht natürlich genauso wenig wie das Gesunden von einer tödlichen Krankheit in einem hohen Alter. 

Wir haben sie heute besucht und so wie ich ihren kranken Körper vor mir sehe, sehe ich sie nicht und werde ich sie nicht in Erinnerung behalten. Ich schaue ihr in die Augen, die mir noch am Stärksten zeigen, wer sie wirklich ist. Ich streichle sie sanft und will sie nur spüren. Ich will ihr Leid nicht sehen, weil ich die Ohnmacht nicht fühlen will, die mich ergreift, weil ich nichts tun kann. Und dann kommen eher wütende Empfindungen, warum muss es auf diese Art und Weise zu Ende gehen. Ich spüre auch ganz klar ihre Angst vor dem Tod. Die Angst ins Bett zu gehen und nicht mehr aufzuwachen. 

Die Kinder, die noch nicht so stark mit ihrem Körper verhaftet sind, sich leichter in Zeit und Raum verlieren können, gehen so herrlich unverkrampft damit um. Die Omi ist jetzt am Sterben, sagen sie fast nüchtern und nehmen die Situation vollkommen an. Davon können wir viel lernen.

Sat Nam  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen